Organisation des Selbststudiums: Unterschied zwischen den Versionen

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Aus diesen Definitionen ergibt sich, dass das selbstgesteuerte Lernen Einfluss auf folgende Aspekte des Lernens ausübt:
Aus diesen Definitionen ergibt sich, dass das selbstgesteuerte Lernen Einfluss auf folgende Aspekte des Lernens ausübt:


* Aufgezählter Listeneintrag
* Feststellung der eigenen Lernbedürfnisse durch die Lernenden
Feststellung der eigenen Lernbedürfnisse durch die Lernenden
Identifikation des persönlichen Lernziels, im Sinne des Erwerbs einer persönlichen Kompetenz
* Identifikation des persönlichen Lernziels, im Sinne des Erwerbs einer persönlichen Kompetenz
* Entscheidungen über Teilziele des Lernens
Entscheidungen über Teilziele des Lernens
Ermittlung der inhaltlichen Teilziele als Voraussetzung für das Erreichen des Hauptziels
Ermittlung der inhaltlichen Teilziele als Voraussetzung für das Erreichen des Hauptziels
* Inhaltliche Aspekte
* Inhaltliche Aspekte

Version vom 19. Dezember 2013, 12:35 Uhr

Einleitung

Das Thema „Selbstgesteuertes Lernen“ erfreut sich gegenwärtig in der Hochschullehre und darüber hinaus großer Popularität. Viele Studierende absolvieren einen nicht unerheblichen Anteil ihrer Module im Selbststudium. Andere erwachsene Lernende bilden sich parallel zu ihrer beruflichen Tätigkeit weiter und greifen dabei oft zu Selbstlernmaterialien, die auf dem Markt frei zugänglich sind. So können Sie beispielsweise einen MOOC absolvieren oder sich über andere Kanäle mit kostenlosen Lernmaterialien versorgen.

Beim Einsatz dieser Lernmaterialien bleibt jedoch häufig unberücksichtigt, dass selbstgesteuertes Lernen eine intensive Beratung und Begleitung notwendig macht. Auch führen selbstgesteuerte Lernprozesse häufig nicht zu den gewünschten Ergebnissen, weil die individuellen Gegebenheiten der Lernenden – etwa ihre jeweils unterschiedlichen Ziele, Motivationen, Begabungen, Lernstile und ihr Vorwissen – keine angemessene Berücksichtigung finden. Nicht selten sind darüber hinaus die Aktivitäten der an Lernprozessen beteiligten Akteure nur unzureichend koordiniert (Bärenfänger, 2004). Schließlich müssen in der Regel bei den Lernenden erst die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, mit den neu entstandenen Spielräumen umzugehen (Friedrich 2002:4).

Im Rahmen dieses Wiki-Beitrags gilt das primäre Interesse dem selbstgesteuerten Lernen und den Möglichkeiten seiner Integration in digitalen Lernumgebungen.

Im Folgenden sollen die Komponenten des Selbststudiums am Beispiel eines Studenten visualisiert werden.

Beispiel für die Organisation des Selbststudiums

Der Student XY erhält die Aufgabe von seiner Professorin, sich mit den Inhalten der Vorlesung intensiv zu beschäftigen und eine dieser Zusammenfassung zu schreiben.

Obwohl diese grobe Aufgabenstellung verständlich und für den einen oder anderen Studierenden bekannt sein mag, gibt sie weder Auskunft zum genauen Herangehen noch zu den thematischen Schwerpunkten.

Bevor der Student zum eigentlichen inhaltlichen Arbeiten (z.B. Nachbearbeitung der Vorlesungsmitschnitten, Schreiben der Zusammenfassung) kommt, wird er sich erstmals für sein Selbststudium motivieren (motivational-emotionale Aspekte) und dann dieses planen (kognitive und metakognitive Aspekte) müssen. (In einer Studie haben Glowalla et al., 2002 250 Studierende befragt, und haben interessante Unterschiede zwischen geplanten und spontanen Lernsitzungen herausgefunden. So überlegen Studierende, die ihr Selbststudium planen, viel häufiger was sie speziell lernen wollten, als spontane Studierende.).

In der Planungsphase überlegt sich der Student wie er am effektivsten vorgeht. So könnte er beispielsweise entscheiden, sich Notizen mit den wichtigsten Schlüsselworten aus der Vorlesung anzufertigen. Diese könnte er später als Grundlage für seine Zusammenfassung benötigt (kognitive Strategien). Der Student hat öfter in seinem Studium solche Aufgabenstellung bearbeitet und auf diese Weise gelernt, welche Strategien ihm persönlich beim Gelingen der Aufgabenlösung helfen können. (Das Wissen eines Lernenden, über seine eigenen Kenntnisse, Fähigkeiten und lernrelevanten Eigenschaften wird als metakognitives Wissen bezeichnet).

Während der Durchführung der Aufgabe prüft der Student regelmäßig, ob er die Aufgabe sinngemäß löst (Überwachung der Lernprozesse). So könnte er beobachten, dass die Vorlesungsinhalte schwieriger zu verstehen sind als er ursprünglich vermutet hat und so entscheidet nach einem Vertiefungstext zu recherchieren und diesen zu lesen. Dieser außerplanmäßige Schritt nimmt zusätzliche Zeit in Anspruch und seine Laune ist nun nicht mehr so gut wie vorhin. Deswegen überlegt er, nach der Bearbeitung der Aufgabe sich mit einem Eis zu belohnen (sozial-affektive Strategien).

Sobald der Student den Eindruck hat, das Hauptziel der Aufgabe erreicht zu haben, beschließt er mit dem Lernen aufzuhören. Je nachdem wie zufrieden er mit seinem Lernergebnis ist, wird er sich freuen und/oder bei seiner Lerngruppe/Kommilitonen nach alternativen Lösungswegen nachfragen.

Diese Evaluationsprozesse schließen mit einer Feststellung über das eigene Arbeiten ab: So kann der Student zum Ergebnis kommen, dass die Aufgabenstellung sehr anspruchsvoll war und er sie doch besser auf zwei Tage hätte aufteilen müssen oder dass er viel früher Rat einholen musste.

Nun ist das Selbststudium beendet und er geht direkt in die Eisdiele.


Geschichtlicher Überblick

Historisch gesehen liegen die Wurzeln des selbstgesteuerten Lernens bereits bei den Philosophen der Antike wie Socrates, Plato und Aristoteles (Hiemstra, 1991:7). Beispiele für Lerner, die selbstgesteuert gelernt haben, sind Alexander der Große, Caesar usw. Personen, die Experten eines Faches geworden sind, ohne eine formale Ausbildung absolviert zu haben, sind u.a. Muhamed Ali, Walt Disney, Pablo Picasso, Henry Ford, Malcolm X (Hiemstra, 1991:84).

Hiemstra (1991:8) weist darauf hin, dass das selbstgesteuerte Lernen einen wichtigen Aspekt des Wissenserwerbs in Kolonialamerika spielte, wo „social conditions […] and a corresponding lack of formal educational institutions necessitated that many people learn on their own.“ Typische Interessensgebiete damaliger Lerner waren oftmals biblische und andere religiöse Texte, Belletristik, Gartenarbeit, Landwirtschaft, Heimarbeit und Sprachen (Knowles, 1962, Long, 1975a, 1975b etc.).

Viele Arbeiten zum selbstgesteuerten Lernen stammen bereits aus den letzten vier Jahrzehnten und sind somit nicht völlig neu (vgl. Holec 1987; Oxford 1990; Littlewood 1997; Wolff 2003; Houle 1988; Brockett & Hiemstra 1991; Guglielmino, Long & Hiemstra 2004). Dennoch beherrscht heutzutage kaum ein zweites Thema den Diskurs der Pädagogik so stark wie die selbstgesteuerte Form des Lernens (vgl. Dietrich 2000:1). Friedrich begründet die hohe Aktualität des Themas damit, dass erstens ein starker Druck, sich für selbstgesteuertes Lernen zu öffnen, „von außen“ durch Gesellschaft, Politik und Wirtschaft auf die allgemein bildende Schule ausgeübt werde. Der zweite Grund sind technologische Neuerungen. Mit den heute verfügbaren Technologien können (Online-) Lernumgebungen für selbstgesteuertes Lernen realisiert werden, von denen frühere Generationen von Bildungsplanern, Instruktionsdesignern, Medienentwicklern usw. „nur träumen“ konnten (Friedrich, 2002:2). Berücksichtigt man diese und andere Aspekte des gesellschaftlichen Wandels, stellt sich die Frage nach der optimalen Gestaltung der Lernmaterialien in der Hochschullehre.


Definition: Selbstgesteuertes Lernen

Sowohl in der englischsprachigen als auch in der deutschen Literatur zum selbstgesteuerten Lernen kursieren eine Vielzahl an Definitionen. Interessant erscheinen v.a. Definitionen, bei denen sich die Komplexität und der Facettenreichtum des selbstgesteuerten Lernens widerspiegeln. Im Folgenden seien zwei repräsentative Beispiele dokumentiert:

Nach Weinert (1982, S. 102) handelt es sich beim selbstgesteuerten Lernen um eine Form des Lernens, bei welcher „der Handelnde die wesentlichen Entscheidungen, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich beeinflussen kann.“

Nach Knowles (1980) ist selbstgesteuertes Lernen ein Prozess, bei dem "... der Lerner – mit oder ohne Hilfe anderer – initiativ wird, um seine Lernbedürfnisse festzustellen, seine Lernziele zu formulieren, menschliche und dingliche Ressourcen für das Lernen zu identifizieren, angemessene Lernstrategien zu wählen und zu realisieren und um die Lernergebnisse zu evaluieren" (Knowles, 1980, S. 18; Übers. durch Friedrich, 2002:3).

Aus diesen Definitionen ergibt sich, dass das selbstgesteuerte Lernen Einfluss auf folgende Aspekte des Lernens ausübt:

  • Feststellung der eigenen Lernbedürfnisse durch die Lernenden

Identifikation des persönlichen Lernziels, im Sinne des Erwerbs einer persönlichen Kompetenz

  • Entscheidungen über Teilziele des Lernens

Ermittlung der inhaltlichen Teilziele als Voraussetzung für das Erreichen des Hauptziels

  • Inhaltliche Aspekte

Inhaltliche Planung und Vorbereitung der einzelnen Module

  • Lernressourcen

Sinnvolle Koordination der Ressourcen: Medien und Lernmaterialien durch den Lerner

  • Zeitliche Aspekte

Erwerb von Kompetenzen aus dem Bereich Zeit- und Projektmanagement

  • Methodische Aspekte

Kognitive Verarbeitung des Lerninhalts, z.B. durch Lernstrategien und -techniken

  • Evaluation

Feststellung durch den Lernenden, ob sein anvisiertes Lernziel erreicht wurde. Dabei kann es sich sowohl um formative als auch um summative Evaluation handeln.