Chancengleichheit

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Im Rahmen von Prüfungsverfahren ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG (Allgemeiner Gleichheitsgrundsatz) das Gebot der Chancengleichheit. Das bedeutet, dass für alle Prüflinge identische (äußere) Prüfungsbedingungen herzustellen sind[1].

Dies betrifft die Ausstattung des Prüfungsraumes (z. B. Größe der Tische) ebenso wie die zur Verfügung gestellte Technik. Es darf nicht eine Gruppe von Prüflingen durch optimale Einrichtungen wesentlich bevorteilt und die andere durch deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen benachteiligt werden[2].

Bei der Verwendung technischer Hilfsmittel (im Falle von E-Klausuren der Computer mit allen Peripheriegeräten) müssen diese für alle Prüflinge die gleiche Ausstattung aufweisen. Sie dürfen sich nicht durch Verschiedenheit auf die Leistungserbringung auswirken. Zu denken ist hier z. B. an:

  • Bildschirmgröße (10’’ Netbook-Monitor vs. 30’’ iMac),
  • Eingabegerät (Mouse vs. Touchpad),
  • Konfiguration der Hardware (Touchpad scrollt mit verschiedenen Gesten, Funktionstasten sind primär F-Funktionen oder mit herstellerspezifischen Sonderfunktionen belegt),
  • installierte Software und deren Anforderungen an die Leistung des Computers.

Beispiel: In einer elektronischen Klausur im Antwort-Wahl-Verfahren im Fachbereich Psychologie wird den Studierenden ein Diagramm mit verschiedenen Kurven zum Vergessen präsentiert. Sie sollen die Aussagen, die dazu getroffen werden, als richtig oder falsch einordnen. Hier kann die Bildschirmgröße ausschlaggebend sein. Zum einen ist es ein Unterschied, ob das Diagramm vollständig auf dem Bildschirm zu sehen (und auch erkennen) ist oder ob gescrollt werden muss. Zum anderen kann die Auflösung am Bildschirm entscheidend dafür sein, dass Schnittpunkte richtig erkannt werden, wenn es laut der Aufgabenstellung auf die genauen Werte ankommt.

Demzufolge kann eine elektronische Klausur nicht mit den privaten Laptops der Studierenden geschrieben werden. Es kann nicht sichergestellt werden, dass die Studierenden hier mit gleichen Ausgangsbedingungen in die Klausur gehen. Überdies könnte bei der Verwendung eigener Computer nicht sichergestellt werden, dass nicht einzelne Studierende durch Täuschung einen Vorteil erlangen. Überlegungen, E-Klausuren in Form des BYOD-Szenarios (=Bring Your Own Device) zu schreiben, sind nach aktueller Rechtslage abzulehnen.

Im Übrigen gelten für alle Formen der Aufsichtsarbeit die gleichen Gebote hinsichtlich der Chancengleichheit: Weder dürfen einzelne Prüflinge bessere oder schlechtere Prüfungsbedingungen erhalten als die übrigen Prüfungsteilnehmer, noch dürfen Prüfungsjahrgänge oder -gruppen eines Jahrgangs stark unterschiedliche äußere Prüfungsbedingungen haben.

Zu diesen äußeren Prüfungsbedingungen gehört, dass den Prüflingen zwischen Bekanntgabe des Prüfungstermins und -orts und Prüfungstermin ausreichend Zeit zur Vorbereitung bleibt[3], sie angemessene Zeit zur Lösung der gestellten Aufgaben erhalten (die bei vergleichbarer Klausur nicht von anderen Kohorten abweichen darf)[4] und schwerwiegende Störungen während der Prüfung ausgeschlossen werden etc.

Wenn Störungen bei Aufsichtsarbeiten auftreten (z. B. erheblicher Lärm durch eine Baustelle[5], Mangel der Aufgabenstellung[6], Ausfall eines Prüfungscomputers, Stromausfall), so sind diese auszugleichen. Der Ausgleich besteht in der Regel in einer Zeitverlängerung im Umfang der verlorenen Zeit[7], es sei denn die Prüfung wird so schwerwiegend beeinträchtigt, dass sie für alle Prüflinge wiederholt werden muss[8].

Beispielhaft für eine Störung während einer E-Klausur sei daran gedacht, dass bei einer elektronischen Prüfung der Computer eines Prüflings ausfällt. Dann ist diesem Prüfling, so ihm ein neuer Computer zur Verfügung gestellt werden kann, ausreichend Nachschreibezeit zu gewähren, um diese Störung auszugleichen.

Möchte ein Prüfling im Nachgang der Prüfung geltend machen, dass eine Störung sich so schwerwiegend ausgewirkt hat, dass er nicht die nötige Leistung erbringen konnte, so ist dies nur möglich, wenn er die Störung zuvor (während des Prüfungsablaufs) gerügt hat.[9] Ausgenommen von der Pflicht zur Rüge sind Störungen, die so auffällig sind, dass die Prüfungsaufsicht diese selbst wahrnimmt und die Störung eine Mehrzahl an Prüflingen oder gar alle Teilnehmer betrifft. Um die Umstände der Störung im Nachhinein feststellen zu können, sollten alle Beeinträchtigungen in einem Prüfungsprotokoll festgehalten werden.

  1. Schmees, M./Horn, J., E-Assessments an Hochschulen: Ein Überblick - Szenarien. Praxis. E-Klausur-Recht., Münster, 2014, S. 174
  2. Niehues, N./Fischer, E., Prüfungsrecht, 5. neubearb. Auflage, München, 2010, S. 157 Rn 427
  3. ebda. S. 154 Rn 415
  4. ebda. S. 151 Rn 404
  5. Johlen, H./Oerder, M. Münchener Anwalts Handbuch Verwaltungsrecht, 3. Auflage, 2012, Rn 117; Niehues, N./Fischer, E., Prüfungsrecht, 5. neubearb. Auflage, München, 2010, S. 171 Rn 473
  6. Niehues, N./Fischer, E., Prüfungsrecht, 5. neubearb. Auflage, München, 2010, S. 171 Rn 471
  7. ebda. S. 172f. Rn 476
  8. ebda. S. 180 Rn 498
  9. ebda. S. 173 Rn 478
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